Doris Rothen, Moderatorin Radio SRF2 Kultur
Schuh it your self !
Bei Schuhmachermeister Franz Kälin in der "Zwickmühle" können sich Lehrer, Juristinnen, Steuerbeamte, Mütter, du und ich den eigenen Traumschuh bauen.
Es ist still im Raum. Menschen sitzen über ihre Arbeit gebeugt, vertieft. Das Stück liegt auf dem Schoss, die Beine sind die Werkbank. Hin und wieder ein Hämmern, ein Klopfen, jemand steht auf, holt ein Werkzeug. „Du Franz?“ sind wohl die am häufigsten gesprochenen Worte in diesen Kurstagen.
Wer später, draussen, erzählt, er habe sich selber ein Paar Schuhe gemacht, wird höfliches Desinteresse ernten. Lenkt er die Blicke dann per Fingerzeig hinunter zu den eigenen Füssen, so öffnen sich Augen und Münder - Oh! und Ah! - und beinahe kann man zusehen, wie in den Köpfen Bilder von groben Holzpantinen und rührenden Naturlederlatschen zerpuffen. Der Exkursbesucher wird dann seine Füsse auf den nächsten Stuhl oder Tisch wuchten müssen, damit das Werk von allen bestaunt und befingert werden kann.
Schuhmachermeister Franz Kälin ist ein erfahrener Kursleiter. Kaum ein Problem, für das er keine Lösung fände. Gutgelaunt ist er hier und dort, begutachtet, gibt Rat und nimmt die Sache auch mal selbst in die Hand, wenn sich die ungeübten Finger allzu patschig anstellen. Seine Schützlinge geniessen viel Freiheit, er ist für fast jedes Experiment zu haben und sorgt dafür, dass es zu einem guten Ende kommt. So entsteht je nach Wunsch Klassisches, Keckes, Bequemes - oder auch einfach die Kopie des Lieblingsschuhs. Von Hand gefertigt, in unbezahlbarer Qualität. Und passend wie angegossen.
Franz Kälins Werkstatt, die "Zwickmühle", befindet sich im Berner Oberländer Dorf Brienz, am unergründlich türkisgrünen See. Bei schönem Wetter kann die Arbeit auf die Terrasse verlegt werden, direkt am Wasser, Bergluft um die Nase. Die Kurstage tun wohl wie eine Oase im Alltag.
Mit dem Leisten fängt es an. Genau nach Mass wird er zurechtgeraspelt und mit Kork verstärkt, bis er passt. Eine wunderbare Sache, dieses Raspeln. Es dauert keine halbe Stunde, und Büroärger, Familienstress oder Liebeskummer haben sich in Holzstaub aufgelöst.
Ein besonderer Leckerbissen aus dem Kursmenu dann die Wahl des Leders. Ob glatt oder genarbt, ob geschmeidig oder robust, ob braun oder lila, es darf geschwelgt werden. Fürs nötige Mass an Sachlichkeit sorgt Franz schon, wenn er auf die Grenzen des Materials hinweist.
Zum Schluss, nach viel Arbeit, viel Scherzen und viel Spass, der Höhepunkt. Wenn eine nach dem andern ans Ausleisten kommt und mit einem letzten Kraftakt den Holzleisten aus dem fertigen Schuh stemmt, herrscht geradezu feierliche Stille
in der versammelten Kursrunde. Ist es vollbracht, bricht oft spontaner Applaus aus, es wird bewundert und schultergeklopft. Der Abschied danach fällt nicht ganz leicht.
Noch lange wird der Exkursbesucher, wenn der Wind ihm von irgendwo her den Duft von Leder und Schusterleim zuträgt, tief einatmen, geniesserisch die Augen schliessen, lächeln und sich zurückerinnern an die Tage, da er ein wenig ein anderer Mensch war.
Zur Person
Franz Kälin (1961) ist Schuhmachermeister und Sozialpädagoge. Er führt eine eigene Werkstatt in Brienz und leitet in Bern eine Tagesstätte für psychisch kranke Menschen. Die dort von ihm entwickelten Schuhmodelle „Tulipan“ und „SchibSchib“ haben sich zu Verkaufsschlagern entwickelt. Seit 1988 Kurstätigkeit als Schuhmacher.
Schuh it your self !
Bei Schuhmachermeister Franz Kälin in der "Zwickmühle" können sich Lehrer, Juristinnen, Steuerbeamte, Mütter, du und ich den eigenen Traumschuh bauen.
Es ist still im Raum. Menschen sitzen über ihre Arbeit gebeugt, vertieft. Das Stück liegt auf dem Schoss, die Beine sind die Werkbank. Hin und wieder ein Hämmern, ein Klopfen, jemand steht auf, holt ein Werkzeug. „Du Franz?“ sind wohl die am häufigsten gesprochenen Worte in diesen Kurstagen.
Wer später, draussen, erzählt, er habe sich selber ein Paar Schuhe gemacht, wird höfliches Desinteresse ernten. Lenkt er die Blicke dann per Fingerzeig hinunter zu den eigenen Füssen, so öffnen sich Augen und Münder - Oh! und Ah! - und beinahe kann man zusehen, wie in den Köpfen Bilder von groben Holzpantinen und rührenden Naturlederlatschen zerpuffen. Der Exkursbesucher wird dann seine Füsse auf den nächsten Stuhl oder Tisch wuchten müssen, damit das Werk von allen bestaunt und befingert werden kann.
Schuhmachermeister Franz Kälin ist ein erfahrener Kursleiter. Kaum ein Problem, für das er keine Lösung fände. Gutgelaunt ist er hier und dort, begutachtet, gibt Rat und nimmt die Sache auch mal selbst in die Hand, wenn sich die ungeübten Finger allzu patschig anstellen. Seine Schützlinge geniessen viel Freiheit, er ist für fast jedes Experiment zu haben und sorgt dafür, dass es zu einem guten Ende kommt. So entsteht je nach Wunsch Klassisches, Keckes, Bequemes - oder auch einfach die Kopie des Lieblingsschuhs. Von Hand gefertigt, in unbezahlbarer Qualität. Und passend wie angegossen.
Franz Kälins Werkstatt, die "Zwickmühle", befindet sich im Berner Oberländer Dorf Brienz, am unergründlich türkisgrünen See. Bei schönem Wetter kann die Arbeit auf die Terrasse verlegt werden, direkt am Wasser, Bergluft um die Nase. Die Kurstage tun wohl wie eine Oase im Alltag.
Mit dem Leisten fängt es an. Genau nach Mass wird er zurechtgeraspelt und mit Kork verstärkt, bis er passt. Eine wunderbare Sache, dieses Raspeln. Es dauert keine halbe Stunde, und Büroärger, Familienstress oder Liebeskummer haben sich in Holzstaub aufgelöst.
Ein besonderer Leckerbissen aus dem Kursmenu dann die Wahl des Leders. Ob glatt oder genarbt, ob geschmeidig oder robust, ob braun oder lila, es darf geschwelgt werden. Fürs nötige Mass an Sachlichkeit sorgt Franz schon, wenn er auf die Grenzen des Materials hinweist.
Zum Schluss, nach viel Arbeit, viel Scherzen und viel Spass, der Höhepunkt. Wenn eine nach dem andern ans Ausleisten kommt und mit einem letzten Kraftakt den Holzleisten aus dem fertigen Schuh stemmt, herrscht geradezu feierliche Stille
in der versammelten Kursrunde. Ist es vollbracht, bricht oft spontaner Applaus aus, es wird bewundert und schultergeklopft. Der Abschied danach fällt nicht ganz leicht.
Noch lange wird der Exkursbesucher, wenn der Wind ihm von irgendwo her den Duft von Leder und Schusterleim zuträgt, tief einatmen, geniesserisch die Augen schliessen, lächeln und sich zurückerinnern an die Tage, da er ein wenig ein anderer Mensch war.
Zur Person
Franz Kälin (1961) ist Schuhmachermeister und Sozialpädagoge. Er führt eine eigene Werkstatt in Brienz und leitet in Bern eine Tagesstätte für psychisch kranke Menschen. Die dort von ihm entwickelten Schuhmodelle „Tulipan“ und „SchibSchib“ haben sich zu Verkaufsschlagern entwickelt. Seit 1988 Kurstätigkeit als Schuhmacher.